REICHSARCHIV BAND 34, VON SEITE  61 BIS 74

Beginn der Feuerwalze. 61

ganz schweren Geschütze ihren tiefen Baß weiter ertönen ließen, würde die plötzliche Stille beängstigend sein. Aber das dauert nicht lange! Überall arbeiten die Kanoniere schon wieder eifrig, neue Entfernungen werden eingestellt, Höhen- und Seitenrichtung mit einem letzten Blick überprüft. Die Batterieführer haben die Uhr in der Hand, ihre Augen verfolgen gespannt das Rücken der Zeiger. Um ,,x Uhr + 220 Min." soll die F e u e r w a l z e, der wandernde Tod, zu laufen beginnen, um ,,x + 220 Min.", und zwar auf die Sekunde genau, müssen die Geschosse aus Tausenden von Rohren unmittelbar vor der Sturmausgangsstellung der Infanterie einschlagen, um von da ab nach genau festgelegtem Programm Stunden hindurch den Stürmern den Weg zu bahnen. Aus der Schußtafel hat der Batterieführer entnommen; wie viele Sekunden die

Geschosse seiner Geschützart brauchen, um die Ausgangslinie der Feuerwalze zu erreichen, er hat diese Sekundenzahl von ,,x + 220 Min." abgezogen. Mitten im Toben der Schlacht fährt, wie einst in der Schule, der Finger über die Zahlen der Tabelle, muß eine kurze Rechenaufgabe gelöst werden. Jetzt aber tobt der Orkan von neuem los, kracht und knallt und bellt und braust es wieder aus allen Batteriestellungen. ,,x + 220 Min.": die Feuerwalze beginnt! Hinter ihr Stürzen sich die feldgrauen Sturmtruppen vorwärts. Die deutsche Infanterie, die beste der Welt, bewährt in tausend Schlachten, schreitet zum Angriff.

62 Der Angriff der 7. Armee.

Nach dem Angriffsbefehl des Generalobersten v. B o e h n hatte die 7. Armee mit ihrem rechten Flügel den Angriff nach Westen hin zu decken, mit der Mitte den Marneabschnitt Chartèves~Verneuil zu überschreiten und, nach Süden vorgehend, den Surmelin-Bach zu gewinnen, mit dem linken Flügel den Feind nördlich der Marne anzugreifen. Die Lösung dieser ersten Aufgabe sollte die Grundlage für das rücksichtslose Vorgehen beiderseits der Marne auf und über Epernay sowie südlich davon bis zur Gewinnung der Fühlung mit den Angriffstruppen der 1. Armee schaffen.

Im einzelnen fielen den Gruppen der 7. Armee folgende Aufgaben zu: Kurz vor Beginn des eigentlichen Angriffs hatte die mit ihrem linken Flügel bis Château-Thierry reichende Gruppe S ch o e 1 e r (VIII. A.K.) durch einen mit starkem Feuer eingeleiteten Patrouillen-vorstoß die Aufmerksamkeit des Feindes auf sich zu lenken. Sodann sollten die Gruppen K a t h e n (XXIII. Res.K.) und W i ch u r a (VIII. Res.K.) mit der 10. und 36. bzw. 23. sächs., 200. und 1. Garde-Inf.Div. im ersten Treffen die Marne in der allgemeinen Linie Gland-Vincelles überschreiten und die Höhen zwischen Marne und Surmelin-Bach erstürmen, um für den Angriff auf Epernay rittlings des Flusses Raum zu schaffen. Das Südufer des Surmelin-Baches war vom VIII. Res.K. mit Vortruppen zu besetzen, die rechte Flanke des Angriffs

Die Kampfaufgaben der einzelnen Gruppen. 63

durch das XXIII. Res.K. in der Linie Gland-St.Eugène-Celle-les Condé zu sichern. Gruppe C o n t a (IV. Res.K.) sollte mit der 37. und 113. Inf.Div. südlich, mit der 2. Garde-Inf.Div. nördlich der Marne auf und über Epernay vordringen, möglichst tief in den Feind stoßen und die Vereinigung mit der 1. Armee erzielen.Gruppe S ch m e t t o w (Genkdo. z. b. V. 65) hatte mit der 195., 22. und 123. sächs. Inf.Div. in Front nördlich der Marne die Linie Ay-Ranteuil-la Fosse-Bligny zu gewinnen; der Schwerpunkt ihres Angriffs war auf die Höhen west-lich Fleury-la Rivière zu richten. Gruppe B o r n e (VI. Res.K.) schließlich sollte sich mit der 86. Inf.Div. bei Erlahmen des feindlichen Wider-standes dem allgemeinen Angriff anschließen.

Das Ablenkungsunternehmen der Gruppe S ch o e 1 e r verlief den Erwartungen entsprechend. Nach einer heftigen Beschießung der feindlichen Stellungen gingen an der ganzen Gruppenfront deutsche Patrouillen vor. In der Mitte und auf dem linken Flügel des Abschnitts gelang es, das eigene Vorfeld stellenweise etwas vorzuschieben und einige Gefangene einzubringen.

Auf dem rechten Flügel der Gruppe K a t h e n hatte die 10. Landw.Div., die am Angriff nicht teilnahm, den Befehl über den Abschnitt zwischen Château-Thierry (ausschließlich) und Gland (einschließlich) behalten. Das hier eingesetzte Inf.Regt. 377 sollte den infanteristischen Feuerschutz für den westlichen Flügel der 10. Inf.Div. übernehmen, die beiden anderen Infanterie.Regimenter der Division, Inf.Regt. 378 und 372, hatten sich nach erfolgtem Marneübergang der 10. und 36. Inf.Div. südöstlich Epieds und nördlich Jaulgonne zu sammeln. Von beiden Regimentern waren starke Kommandos als Trägertrupps bzw. zur Unterstützung der Pioniere der beiden Angriffsdivisionen abgegeben. Die beiden Pionierkompagnien der 10. Landw.Div. waren zum Brückenschlag bei Jaulgonne abkommandiert*), auch die Masse der Artillerie sowie die Minenwerferkompagnie befand sich noch in den an die 10. und 36. Inf.Div. abgegebenen Abschnitten.

An der Front zwischen Gland (ausschließlich) und Chartèves (einschließlich) hatte sich die 10. Inf.Div. mit Inf.Regt. 398 und Gren.Regt. 6 in erster, Inf.Regt. 47 (als Divisionsreserve) in zweiter Linie bereitgestellt. Das Übersetzen sollte halbwegs Gland-Mont St.Père sowie

*) Sie erlitten dabei empfindliche Verluste (zus. 9 Tote, 47 Verw., 6 Verm.).

64 Der Angriff der 7. Armee.

südlich und südöstlich Chartèves - jedesmal an zwei nahe beieinander liegenden Stellen - erfolgen Sturmausgangsstellung war der Bahn-damm. An Brücken waren eine leichte Pontonbrücke südlich Mont-St.Père und eine schwere zwischen Chartèves und Mèzy vorgesehen; sie sollten später durch die wiederherzurichtende Marnebrücke südöstlich Mont St.Père ersetzt werden.

Die Bereitstellung der 10. Inf.Div. war durch das feindliche Störungsfeuer stellenweise erheblich behindert worden. Schon um 120 vorm. waren sämtliche Fernsprechleitungen zerstört gewesen. Un-rnittelbar darauf hatte das I./47, das schon beim Abrücken von seinem Biwaksplatz am Abend des 14. in einen Feuerüberfall geraten war, durch mehrere mitten in seinen Kompagnien einschlagende Volltreffer schwere Verluste gehabt. Trotzdem hatte schließlich alles noch zur rechten Zeit bereitgestanden, so daß das Übersetzen um 305 vorm. planmäßig an allen vier Stellen seinen Anfang genommen hatte.

Am schnellsten vollzog sich der Übergang beim Gren.Regt.6. 340 vorm. war bereits das I.Batl. unter erträglichen Verlusten vollständig übergesetzt, bald danach hatte auch das II. den Uferwechsel beendet. Aber schon das Vorgehen in die Sturmausgangsstellung stieß auf heftigsten Widerstand Der Gegner hatte den Bahndamm bei Mézy stark besetzt und war keineswegs niedergekämpft. Nach längeren, wechselvollen Kämpfen und heftigen Gegenstößen durch amerikanische Truppen gelang es den Grenadieren gegen 545 vorm., Mézy zu nehmen und den Bahndamm in südlicher Richtung zu überschreiten. Das Regiment war nach beiden Selten hin ohne Anschluß, die Fühlung mit der Feuerwalze hatte überhaupt nicht hergestellt werden können und es gelang auch nicht, die Verbindung mit der Artillerie wiederzugewinnen. Die Begleitbatterie, 1./Felda. 56, war, bevor sie zum Übersetzen gekommen war, durch feindliches Artilleriefeuer vollständig vernichtet worden. In dieser ungünstigen Lage traf das Grenadier~Regiment, dessen F.Batl. inzwischen über die Marne nachgefolgt war, ein erneuter, heftiger Gegenstoß überlegener Kräfte aus den Waldstücken nördlich Crezancy sowie dem Surmelin-Bachtale. Unter schwersten Verlusten, besonders an Gefangenen, mußten die Grenadiere zurückgehen; es gelang auch nicht, den Bahndamm zu halten. 805 begannen die Reste des Regiments das südliche Marne-Ufer unter dem Druck des Gegners zu räumen. Gegen 90 waren die Trümmer auf dem nördlichen Flußufer angelangt, nur noch einzelne Patrouillen blieben jenseits zurück. Teile des Inf.Regts. 372 der 10. Landw.Div. nahmen das Gren.Regt. 6 auf.

Verlustreiches Ringen der 10. Inf.Div. 65

Das Übersetzen des II. und III./398 wurde durch heftige feindliche Gegenwirkung stark verlangsamt, erst 445 vorm. hatten beide Bataillone das Südufer erreicht. Das 1.Batl. geriet, als es gerade mit dem Übersetzen begonnen hatte und sich in der Hauptsache noch nördlich der Marne befand, in einen Feuerüberfall und wurde vorübergehend zersprengt. Aber auch II. und III./398 kamen beim Übersetzen stark durcheinander und hatten, als sie endlich nach erbitterten Kämpfen den Bahndamm erreich-ten, bereits so erhebliche Abgänge, daß das Regiment feinen Angriffsstreifen nicht mehr ausfüllen konnte. Das trotzdem versuchte Vorgehen brachte nur geringe Erfolge, zumal es auch hier gar nicht erst zu einer Fühlung mit der Feuerwalze gekommen und die Verbindung mit der Artillerie noch nicht wieder hergestellt war.

Inf.Regt. 47, welches in der Bereitstellung noch weitere starke Verluste gehabt hatte, war 440 vorm. angetreten, um entweder auf der leichten Pontonbrücke südlich Mont St.Père, oder, falls diese noch nicht fertig war, auf die verschiedenen Übersetzstellen verteilt über die Marne zu gehen. Gegen 520 vorm. überschritt das am Anfang marschierende 1. Batl. die gerade fertig gewordene Brücke, erhielt aber unmittelbar darauf heftigstes M.G.- und Inf.Feuer, das starke Verluste verursachte. Das Bataillon versuchte eine Zeitlang, sich auf dem Südufer zu halten, mußte aber schließlich wieder über die Pontonbrücke zurückgehen und besetzte eine am Südrand von Mont St.Père gelegene Parkmauer. Dort war das II. Batl. bereits in Stellung gegangen, als das Feuer auf I./47 ein-gesetzt hatte. Das III. hatte die Übersetzstelle südlich Chartèves erreichen wollen, war aber zwischen Mont St.Père und Chartèves in starkes feindliches Feuer geraten und zunächst liegengeblieben.

Um den Angriff südlich der Marne wieder in Gang zu bringen, gab 655 vorm. der Kommandeur der 20. Inf.Brig., Generalmajor S y d o w, dem Regt. 47 Befehl, über die Brücke von Mont St.Père rechts vom Gren.Regt. 6 in die vordere Linie einzurücken. Die Ausführung dieses Befehls erwies sich als unmöglich, da das feindliche Artilleriefeuer ein Herankommen an die Marne nicht zuließ. 850 vorm. erging ein neuer Befehl an das Regiment, beschleunigt die Marne an der Übersetzstelle des Inf.Regts.398 (halbwegs Gland-Mont St. Père) zu überschreiten und durch Vorgehen in östlicher Richtung die M.G.-Nester amn Bahndamm und in den Waldstücken nördlich davon zu nehmen. Aber auch zur Ausführung dieses Befehls kam es nicht, da das Gelände zwischen Mont St.Père und der Übersetzstelle des Regts. 398 in dem heftigen Feuer der feindlichen Artillerie nicht zu durchschreiten

66 Der Angriff der 7. Armee.

war. Dagegen gelang es jetzt dem II./47, auf der Brücke bei Mont St.Père über die Marne zu kommen, den Bahndamm zu gewinnen, mit Teilen sogar zu überschreiten und den Anschluß an das Inf.Regt. 398 herzustellen. Ein Versuch des III. Batls., doch noch die Übersetzstelle nördlich Gland zu erreichen, schlug fehl, das Bataillon blieb daher vorläufig auf dem Nordufer. Auch I./47, nach den schweren Verlusten zu einer einzigen Kompagnie zusammengefaßt, blieb als Reserve bei Mont St.Père. Inf.Regt. 398 hatte inzwischen nach Einsatz seines wieder geordneten I. Batls. den Angriff von neuem aufgenommen und war, unterstützt von den Resten seiner Begleitbatterie (3./Felda. 56), bis über die Straße Fossoy-Moulins hinausgekommen. Nach langem, hin und her wogendern Kampf wurde es aber gegen Mittag durch einen heftigen feindlichen Gegenstoß gegen seine beiden Flanken gezwungen, wieder bis zum Bahndamm zurückzugehen.

Unter diesen Umständen entschloß sich der Divisionskommandeur, Generalmajor Frhr. v. G r ü t e r, vorläufig von einer Fortsetzung des Angriffs abzusehen. Die Artillerie, welche in dem außerordentlich heftigen Feuer der feindlichen Batterien erhebliche Verluste gehabt hatte, und deren Stellungswechsel wegen der Entwicklung der Lage unterblieben war, erhielt Befehl, einen Feuerschutz vor die Regimenter 398 und 47 sowie vor die Übersetzstelle südlich Chartèves zu legen.

Außer der leichten Pontonbrücke südlich Mont St. Père, welche ständig ausgebessert werden mußte, konnte keine Brücke gebaut werden. Auch der Übersetzbetrieb ließ sich zeitweilig nur hinter dem Regt. 398 und auch hier nur unter schweren Verlusten aufrechterhalten.

Bei der den linken Flügel der Gruppe Kathen bildenden 36. Inf.-Div. sollte das Übersetzen des Gren.Regts. 5 etwa 1 km südlich Jaul-gonne, des Inf.Regts. 128 unmittelbar östlich Reuilly erfolgen. Dazwischen war bei Barzy-sur Marne das verstärkte I./175 angesetzt, so daß also hier - abweichend von den anderen Divisionen - gleichzeitig Teile von drei Infanterie-Regimentern die Marne überschreiten sollten. Südlich Jaulgonne waren zwei 100 m auseinanderliegende Übersetzstellen, bei Barzy und östlich Reullly war je eine Übersetz-stelle vorgesehen. An Brücken sollten eine leichte Pontonbrücke 300 m unterstrorn und eine schwere etwa 350 m oberstrom der gesprengten Straßenbrücke Jaulgonne-Varennes sowie später je eine Behelfsbrücke im Laufe der Straßen Jaulgonne-Varennes und Rozay-Courtemont gebaut werden.

Der Übergang der 36. Inf.Div. 67

Der Vormarfch von den Biwaks- zu den Bereitstellungsplätzen hatte bei allen drei Infanterie-Regimentern der Division viele Reibungen gebracht, feindlicher Gasbeschuß stellenweise zum Aufsetzen der Gas-masken gezwungen. Es war zeitweilig nicht leicht gewesen, die Truppe zusammenzuhalten. Überall waren bereits erhebliche Verluste eingetreten. Trotzdem hatte an allen Übersetzstellen der Übergang pünktlich um 30 vorm. begonnen. Um das Übersetzen südlich Jaulgonne und bei Barzy zu erleichtern, war um 110 bzw. 250 vorm. je ein Feuerschlag aus 247 Rohren des bei Argentol eingesetzten halben Pi.(Gaswerfer-)Batls. 38 auf Varennes erfolgt*).

Beim Gren.Regt. 5 stieß der Flußübergang auf die größten Schwierigkeiten. Das 1. Batl. war zusammen mit einer Abteilung des Sturmbatls. 7 und der Geb.Battr. 21 bereits beim Vorgehen aus der Bereitstellung zur Marne bis auf einen geringen Rest vernichtet worden. Beim F. und dem als Reserve bestimmten, wegen Ausfalls des I. aber sofort eingesetzten II./5 gelang das Übersetzen besser, um 345 vorm. war das jenseitige Ufer erreicht. In hartem Kampf drückten beide Bataillone den Feind über die Eisenbahn und die Straße Varenne-Moulins zurück, welche die eigentliche Sturmausgangsstellung des Regiments bildete. Teile des 11./5 nahmen zusammen mit dem I./175 Varennes. Trotz der schweren Verluste, die sie bereits zu beklagen hatten, setzten sich die Grenadiere um 450 vorm. hinter der Feuerwalze zum Angriff in Bewegung. Aber schon nach sehr kurzer Zeit zeigte es sich, daß auch hier der Gegner in keiner Weise niedergekämpft war. Der Widerstand feiner Infanterie und die Wucht seines Artilleriefeuers wuchsen von Minute zu Minute. Bald kam das Grenadier-Regiment mit der Feuerwalze nicht mehr mit, es glückte erst nach Stunden, sie anzuhalten. Inzwischen wurden aber die Grenadiere von einem heftigen Gegenstoß überlegener Kräfte getroffen, der sie größtenteils bis dicht an die Übergangsstelle zurückwarf. Schwache Kräfte hielten sich jedoch etwa 900 m nördlich Moulins, die Komp. O b e r g (6.) konnte sogar im Vorgehen bleiben und gelangte, der Feuerwalze dichtauf folgend, bis Paroy, wo sie sich, bald vollkommen eingeschlossen, unter starken Verlusten bis zum Abend hielt, um sich schließlich in der Dunkelheit zum Inf.Regt. 128 durchzuschlagen.

Erfolgreicher als das Gren.Regt. 5 war das I./175, welches südlich

*) Es waren 596 Werfer eingebaut, doch hatte das feindliche Feuer die Leitungen teilweise zerstört, so daß nur noch 247 Werfer angeschlossen waren.

68 Der Angriff der 7. Armee

Barzy schon 312 vorm. reibungslos das südliche Marne-Ufer erreichte, gut vorwärts kam und nach kurzem Kampfe gemeinsam mit Teilen des 11./5 Varennes nahm. Das Bataillon langte hinter der Feuerwalze gegen 70 vorm. auf Höhe 219 (1 km östlich Moulins), seinem vorläufigen Angriffsziel an.

Viel schwieriger gestalteten sich die Verhältnisse dagegen beim Inf.-Regt. 128. Von den neun Pontons, auf denen das Regiment östlich Neuilly übergesetzt werden sollte, waren bald sieben zerschossen, mit Hilfe der beiden übriggebliebenen mußte das ganze Regiment unter ständigem M.G.Feuer vom Bahndamm her die Marne überwinden. Entsprechende Verzögerung war die Folge. Hier halfen die dem Regiment zugeteilten Batterien der Geb.Art.Abt. 7, welche mit direktem Schuß die feindlichen Maschinengewehre erledigten. Der Übergang ging nun glatt vonstatten, ein Gegenstoß wurde abgeschlagen, Reuilly 60 vorm. nach heftigem Kampf genommen. Der - zunächst an gehaltenen -Feuerwalze folgend, ging das Regiment in südlicher Richtung vor, doch kam der Angriff schon im Walde westlich Reullly wieder zum Stillstand.

Als der Divisionskommandeur, Generalmalor v. L e i p z i g, gegen 830 vorm. Kenntnis von der schwierigen Lage des Gren.Regts. 5 erhielt, befahl er der Divisionsreserve, Inf.Regt. 175 (ohne I. Batl.), bei Barzy die Marne zu überschreiten und, über Varennes vorgehend, mit starker Artillerieunterstützung dem Grenadier-Regiment den Weg frei zu machen. Das Übersetzen war bald nach 120 mittags beendet, das Regiment setzte sich über Varennes in Bewegung.

Die Lage der Gruppe Kathen um die Mittagstunde war somit folgende: Auf der ganzen Front der 10. sowie auf dem rechten Flügel der 36. Inf.Div. war der Angriff anscheinend endgültig zum Stillstand gelangt. Die Mitte der letzteren schien erfolgreich zu sein, dagegen war der linke Flügel noch nicht in Schwung gekommen. Nach Mitteilungen der links benachbarten Gruppe Wichura befand sich der Angriff dort im guten Fortschreiten, auch weiter östlich wurde erfolgreich gekämpft. Für das Gelingen des Gesamtangriffs war der Mißerfolg der 10. Ins.-Div. von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung; der Schutz der rechten Angriffsflanke konnte auch nördlich St. Eugène am Surmelin-Abschnitt liegen. Dieser mußte aber von der 36. Inf.Div. unbedingt erreicht werden. Es kam also jetzt vor allem darauf an, den linken Flügel dieser Division vorzureißen. Zu diesem Zwecke hatte bereits das

A.O.K. 7 der Gruppe Wichura Teile der 6. bayer. Res.Div. zur Ver-

Lage der Gruppe Kathen um die Mittagstunde. 69

fügung gestellt, welche zwischen der 36. und der östlich anschließenden 23. Inf.Div. vorgehen sollten*). Von dieser selbst war das Divisions-Reserveregiment gegen die Linie Monthurel-Celle, d. h. in den Gefechtsftreifen der 36. Inf.Div. hinein, angesetzt worden. General d. Inf. v. K a t h e n befahl 1150 vorm. bzw. 120 mittags der 36. Inf.Div., ihre letzten Reserven bei Reuilly und Sauvigny (im Abschnitt der Gruppe Wichura) über die Marne zu ziehen und mit aller Kraft im Anschluß an die 23. Inf.Div. in westlicher und südwestlicher Richtung gegen den Surmelin-Bach vorzugehen. Als Verstärkung wurde der Division das Inf.Regt. 372 der 10. Landw.Div. zugeteilt. Das Verbleiben der 10. Inf.Div. auf dem südlichen Marne-Ufer hatte nur noch den Zweck, Kräfte des Gegners zu binden und von einem Eingreifen in den Kampf der 36. Inf.Div. abzuhalten. Um dies zu erreichen, erhielt die 10. Division im Laufe des Nachmittags Befehl, erneut anzugreifen und den Brückenkopf südlich Mont St.Père bis zur Linie Fossoy-Moulins zu erweitern.

Zu einer vollen Ausführung dieses Befehls kam es bei der 10. Inf.-Div. jedoch nicht. Versuche des Inf.Regts. 398, über den Bahndamm heraus nach Süden vorzukommen, blieben zunächst erfolglos. Beim Inf.Regt. 47 überschritt noch am späten Nachmittag das III. Ball. - z. T. auf der Brücke südlich Mont St.Père, z. T. durch Übersetzen südlich Chartèves - die Marne und verlängerte das bereits seit dem Vormittag am Bahndamm liegende II./47 nach links hin. Mézy wurde von einigen amerikanischen Maschinengewehrtrupps, die sich dort eingenistet hatten, gesäubert und gegen feindliche Vorstöße gehalten. Nunmehr -es war inzwischen 100 abds. geworden - wollten beide Regimenter (398 und 47) erneut versuchen, bis zu der befohlenen Linie vorzudrücken. Es kam aber nicht dazu, da inzwischen der Gruppenbefehl eingetroffen war, daß die 10. Inf.Div. nach Eintritt der Dunkelheit auf das nördliche Marneufer zurückgehen sollte.

Bei der 36. Inf.Div. war der Verlauf der Ereignisse etwas günstiger. Hier trafen das II. und III./175 gerade noch rechtzeitig ein, um das 1. Batl. zu stützen, welches auf Höhe 219 (südlich Courtemont) zahlreiche amerikanische Gegenstöße abgewehrt, sich aber schließlich vollständig vorschossen hatte und deshalb im Begriff war, zurückzugehen. Durch das Festliegen des Gren.Regts. 5 westlich Varennes kam der rechte Flügel des Regts. 175 zeitweilig in eine etwas kritische Lage,

*) Näheres siehe S. 73.

70 Der Angriff der 7. Armee.

die aber überwunden war, nachdem der Feind gegen Abend den nörd-lich Moulins gelegenen Teil des Surmelin-Tals geräumt hatte. Nun-mehr gelang es auch dem Gren.Regt. 5, noch etwas vorzudrücken und das östlich der Surmelin-Mündung gelegene Wäldchen zu besetzen.

Auch dem Inf.Regt. 128 glückte es am Nachmittag, den Widerstand des Gegners zu brechen. Gegen 60 abds. hatte es, in südwestlicher Richtung vordringend, die Höhe des Bergrückens südlich Courtemont erreicht; sein rechter Flügel fand Anschluß an das Regt. 175, der linke lag einige hundert Meter östlich der Janvier Fe. Gegen 820 abds. gingen beide Regimenter erneut vor und erreichten, ohne auf großen Widerstand zu treffen, den Westrand des Höhenwaldes. Inf.Regt. 128 bog seine Linie vom Waldrand westlich Paroy nach dem Farmhof les Etangs zurück; gegen Moulins und Paroy wurden Patrouillen in den Bachgrund vorgeschoben. Anschluß nach links zum Schützen-Regt. 108 der 23. Inf.Div. bestand nicht.

Das der 36. Inf.Div. zugeteilte Inf.Regt. 372 der 10. Landw.Div. war am Nachmittag auf das Südufer der Marne vorgezogen worden und stand gegen Abend im Walde westlich Reuilly als Divisionsreserve bereit. Auch bei der 36. Inf.Div. war der ursprünglich vorgesehene Stellungswechsel der Artillerie über die Marne mit Rücksicht auf die Entwicklung der Lage im wesentlichen unterblieben; außer den Begleitbatterien der Inf.Regter. 175 und 128 (Geb.Battn. 19 und 20), die ihren Regimentern verhältnismäßig schnell gefolgt waren, wurden nur noch drei weitere Feldbatterien gegen Abend auf das Südufer nachgezogen.

Von den beiden Pontonbrücken, die bei Jaulgonne vorgesehen gewesen waren, hatte infolge des feindlichen Artilleriefeuers keine vollendet werden können. Die Pontons waren zeitweilig als Ruderfähren verwendet und schließlich zum Bau einer Brücke bei Barzy benutzt worden. Dort hatte außer dieser Kolonnenbrücke noch ein Steg hergestellt werden können. Von 90 abds. ab war auch eine Behelfsbrücke westlich Rozay benutzbar.

Auf Grund eines 730 abds. eingegangenen Armeebefehls, der für die Gruppe Kathen den Übergang zur Abwehr bestimmte, ordnete der Kommandierende General an, daß die 10. Inf.Div. nach Eintritt der Dunkelheit ihre auf dem Südufer der Marne befindlichen Teile auf das Nordufer zurückzuziehen und den Marnefchutz im Anschluß an die 10. Landw.Div. von Gland (ausschließlich) bis 1 km südwestlich Jaulgonne zu übernehmen hatte. Zur Verschleierung sollten Postierungen

Gruppe Kathen erhält Befehl, zur Abwehr überzugehen. 71

bis zum Morgengrauen des 16. Juli südlich der Marne bleiben. Die 36. Inf.Div. hatte sich, rechter Flügel an der Marne, zur Verteidigung einzurichten. Die Vorpostenlinie sollte am Surmelin-Bach, die Hauptwiderstandslinie etwa am Westrande der Wälder auf dem Höhenrücken südlich Varennes liegen, eine Hinterhangstellung als zweite Linie ausgesucht werden. Inf.Regt. 378 der 10. Landw.Div. blieb Korpsreserve südöstlich Fary Fe (3,3 km westlich le Charmel), Inf.Regt. 372 weiterhin der 36. Inf.Div. unterstellt.

* *

*

Im Angriffsabschnitt der Gruppe W i ch u r a war der Gegner wegen der geringen Geländedeckung, die das Marnetal hier aufwies, gezwungen, mit seiner Verteidigung ziemlich weit vom Flusse abzubleiben. Man nahm daher auf deutscher Seite an, daß die unmittelbar an der Marne gelegenen Ortschaften nur mit Vorposten besetzt seien. Die feindliche Hauptwiderstandslinie schien auf den vorspringenden Bergnasen und an den Nordrändern der zwischen ihnen gelegenen Dörfer zu liegen, eine zweite Stellung auf dem Höhenkamm in Linie der vielen Waldstücke und zahlreichen Farmhöfe zu suchen zu sein. Die Artillerie des Gegners stand mit der Hauptmasse hinter der Kammlinie. Sie konnte von dort zwar die Marne selber fassen, nicht aber - wenigstens mit Flachfeuer - die südlich des Flusses gelegene Talhälfte und die ziemlich steilen Hänge der dortigen Höhen. Vorgeschobene Geschütze sowie vor allem flankierendes Feuer von dem im Angriffsstreifen der 36. Inf.Div. liegenden, nach Courtemont vorspringenden Bergrücken aus vermochten diesen Nachteil aber wesentlich auszugleichen. Für den Angriff war es daher von Bedeutung, daß einmal die 36. Inf.Div. der Gruppe Kathen sich frühzeitig der Höhen südlich Courtemont bemächtigte, sodann aber die Divisionen der Gruppe Wichura selbst so schnell wie möglich an die Hänge der Höhen südlich der Marne gelangten.

Bei der den rechten Flügel des VIII. Res.K. bildenden 23. (sächs.) Inf.Div. war der Vormarsch in die Bereitstellungsräume stark erschwert und teilweise auch verzögert worden durch den Zustand der Straßen und Wege, welche sich durch Gewittergüsse am Abend und während der Nacht streckenweise in Schlamm und Sumpf verwandelt hatten. Trotzdem hatten das Gren.Regt. 101 und das Leib-Gren.Regt. 100, beide mit ihren Begleitwaffen, bei Passy und Courcelles rechtzeitig bereitgestanden. Das Schützen-Regt. 108 sollte dem Leib-Gren.Regt. 100 zunächst als

72 Der Angriff der 7. Armee.

Divisionsreserve folgen. An Übersetzstellen waren für das Gren.Regt. 101 drei (eine hart südlich, zwei südöstlich von Passy), für das Leib-Gren.-Regt. 100 zwei (je eine südwestlich und hart südlich Courcelles) vorgesehen. An Brücken sollten eine leichte Pontonbrücke zwischen Passy und Sauvigny, eine schwere bei Vousy Fe und später eine Etappenstraßenbrücke nördlich Courthiézy gebaut werden.

Von 40 vorm. an war das anfänglich schwache feindliche Artilleriefeuer erheblich aufgelebt, namentlich gegen die Übergangsstelle bei Passy; dort fiel der Kommandeur des Gren.Regt. 101, Oberst v. S ch m a 1 z , als er im Begriff war, seinem Regiment über die Marne zu folgen.

Dicht hinter der Feuerwalze traten 450 vorm. beide Regimenter zum Sturm auf die steilen Hänge an. Während das Leib-Gren.Regt., ständig in engster Fühlung mit der Walze, jeden feindlichen Widerstand schnell überwinden und bereits 80 vorm. den Nordhang des Agnan-Tales gegen 100 die Straße St. Agnan-la Chapelle erreichen konnte, mußte das Gren.Regt. 101 im Bois de Condè erbitterte Gegenwehr brechen. Bald vermochte das Regiment in dem dichten, vom Feinde vorzüglich zur Verteidigung eingerichteten Walde der Feuerwalze nicht mehr allenhalben zu folgen, insbesondere hatte der rechte Flügel Schwierigkciten, da die rechts anschließende 36. Inf.Div. zu dieser Zeit noch in schwerem Kampf um Reuilly lag. Trotzdem bahnten sich aber das II. und I. Batl., teilweise in erbitterten Nahkämpfen, ihren Weg. Gegen 90 vorm. wurde la Grange aux Bois im Sturme genommen und um 950 vorm. fiel nach hartem Ringen das Dorf St. Agnan. III./101 folgte hinter dem linken Flügel unter fortwährenden Gefechten mit M.G.Nestern, die vom I. Batl. noch nicht erledigt worden waren. Ein Vordringen über den Nû des Vc. Prés-Abschnitt hinaus gegen die am Nordrand des Bois de Rougis liegende zweite feindliche Stellung gelang bei beiden Regimentern zunächst nicht.

Während so die Angriffsinfanterie verhältnismäßig schnell vorwärtskam, verzögerte sich das Nachziehen der Artillerie stark. Schon in der Bereitstellung der Begleitbatterien und der Protzen des Felda.Regts. 12 hatten Volltreffer starke Verluste verursacht. Beim Vorgehen durch den Wald von Ris setzte das feindliche Artilleriefeuer unglücklicherweise gerade an einer besonders engen und grundlosen Wegestelle mehrere Fahrzeuge außer Gefecht. In der dunklen Nacht türmte sich ein Chaos von verwundeten und toten Mannschaften und Pferden sowie zerschossenen Fahrzeugen, das jede Vorwärtsbewegung verhinderte. Dem tatkräftigen Eingreifen der Führer, insbesonbere auch der von der

Die 23. Inf.Div. erreicht den Rû des Vc Prés-Abschnitt. 73

23. Inf.Div. eingesetzten Wegepolizei unter Major v. Z e ch a u (Gren.-Regt. 101) gelang es schließlich, den Weg wieder frei zu machen. Es war aber 720 vorm. geworden, als endlich die Begleitbatterien die inzwischen fertiggestellten Pontonbrücken bei Sauvigny und Voussy Fe überschritten. In großen Abständen folgten ihnen die übrigen Teile der Artillerie sowie die Gefechtsfahrzeuge der Infanterie.

Das Schützen-Regt. 108 war inzwischen teils an den Übersetzstellen der Gren.Regtr. 101 und 100 (III. und II. Batl.), teils auf der Pontonbrücke bei Voussy Fe (I. Batl.) über die Marne gegangen und bis in die Gegend zwischen les Lenards Fe und les Coqs nachgerückt.

Während somit der Angriff der 23. Inf.Div. überall gut und verhältnismäßig schnell vorwärts gekommen war, hatte bei der rechts benachbarten 36. Inf.Div. der Gruppe Kathen die Erstürmung der Wälder südlich Courtemont und Reuilly sehr viel Zeit erfordert; die Division hing, als die sächsischen Grenadiere bereits die Nordhänge des Agnan-Tales erreicht hatten, noch weit zurück. Hierdurch war die rechte Flanke der 23. Inf.Div. stark bedroht. Um diese Gefahr zu beseitigen, zugleich aber auch der 36. Inf.Div. vorwärts zu helfen, stellte General W i ch u r a 1105 vorm. der 23. Inf.Div. das Res.Inf.Regt. 16 der 6. bayer. Res.Div., dessen Überlassung er beim A.O.K. 7 erwirkt hatte, zum Einsatz gegen die Höhe nordöstlich Monthurel zur Verfügung. Da indessen das bayerische Regiment noch nördlich der Marne stand, das Eingreifen auf dem rechten Flügel aber so bald als möglich geboten war, zog Genlt. v. B ä r e n s p r u n g, der Kommandeur der 23. Inf.Div., im Einverständnis mit dem Gruppenkommando seine Reserve, das Schützen-Regt. 108, dorthin. Bald nach Mittag setzten sich das Regiment und seine Begleitbatterie, 3./Felda. 12, in Richtung la Grange aux Bois in Bewegung. An seiner Stelle sollte sich das bayer. Res.Inf.Regt. 16 bei Courthiézy als Reserve der 23. Inf.Div. bereitstellen. 10 nachm. unterstellte das A.O.K. 7 die gesamte 6. bayer. Res.Div. der Gruppe Wichura. General Wichura befahl der Division, sich mit zwei Regimentern zwischen der 36. und 23. Inf.Div. einzuschieben und im Angriff den Surmelinbach-Abschnitt von Connigis (ausschließlich) bis Celle-les Condé (ein-schließlich) zu erreichen.

Im Laufe des Vormittags hatte das feindliche Artilleriefeuer gegen sämtliche Übergangsstellen stark zugenommen, auch die französischen Flieger griffen mit nur kurzen Unterbrechungen die Übersetz- und vor allem die Brückenstellen mit Bomben und M.G.Feuer an. Beide Pontonbrücken wurden mehrfach zerstört; es war hierdurch unmöglich.

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